QNSTORT
Kirche Klein St. Paul (Ansichten aus den Jahren 2002 – 2012)
Marktplatz Klein St. Paul
Atelier Werner Hofmeister
Bundesstraße Klein St. Paul
Industriemuseum Wietersdorf
Klinzerhof – Lange Wende
Stelen Wanderweg Qnstort Klein St. Paul
Q NST ORT KLEIN ST. PAUL
Text von Geraldine Klever
Q NST ORT KLEIN ST. PAUL ist das Ergebnis von fast vierzig Jahren künstlerischen Arbeitens des gebürtigen Klein St. Paulers Werner Hofmeister in und für seinen Heimatort. Die Entscheidung Hofmeisters, sich in seinem Geburtsort anzusiedeln, die Lebensumstände und -bedingungen auf dem Land für seine Kunst zu akzeptieren und zu nutzen, fiel in die Zeit der siebziger/ beginnenden achtziger Jahre. In Kärnten selbst wurde diese Absage an die Metropole als Kunst- und Lebenszusammenhang eher negativ bewertet – als künstlerische Selbstaufgabe, als Rückzug in die Provinz und in ein engräumiges (von der gebirgigen Landschaft geformtes) Denken und Arbeiten. Rückblickend und bezogen auf die internationale Kunstentwicklung erscheint Hofmeisters vermeintlicher Rückzug als Schritt nach vorne. Wer seine Kunst am Rande der Kunstzentren positioniert, wird zu einer Gegenfigur zu den angepassten und kalkulierten Karrieren im Kunstbetrieb, ist „nicht Aufsteiger, noch Aussteiger, sondern ein Künstler im Ausstand“ (J.Gerz). Wenn Radikalität ein „Zurück zu den eigenen Wurzeln“ bedeutet, dann jedenfalls ist Hofmeister ein ganz Radikaler und seine „Wurzelbehandlungen“ zwar nicht immer schmerzfrei, stets aber am neuesten Stand der Kunsttheorie.
Q NST ORT KLEIN ST. PAUL experimentiert mit der Vorstellung eines künstlerischen Totalraumes. Die in der frühen Moderne (u.a. von der Bauhaus-Bewegung) geäußerte Idee eines Zusammenwirkens von Kunst , Architektur, Industrie – dazu kommen heute Wirtschaft und Tourismus – im Sinne umfassender Lebensgestaltung wird mit dem Projekt QNST ORT KLEIN ST. PAUL erneuert und verbessert. Die Bevölkerung von Klein St. Paul ist in eine künstlerisch gestaltete Umwelt eingehüllt und wird zum integrierten Bestandteil des Werks und seiner Herstellung. In Hofmeisters Projekt greifen Begriffe wie „Autor“, „Werk“ und „Publikum“ zu kurz: Hofmeister ist ja nicht nur Künstler, sondern auch Ortsbewohner, also hat er auch am Werk und am Publikum Anteile. Zwischen dem Künstler und seinem „Material“ entsteht eine produktive Wechselbeziehung: Hofmeister verändert den Ort ebenso wie umgekehrt der Ort und seine Bewohner Hofmeister verändern. Er gestaltet nicht nur, sondern lässt auch sich gestalten. Beim Kirchgang, Gasthausbesuch oder Einkaufstratsch werden Ansichten einander angenähert, voneinander übernommen oder vehement abgewiesen (auch das kommt vor) und schlagen sich dann sichtbar in Transformationen des Ortsbildes oder – weniger ins Auge springend – in Modifikationen am eigenen Selbst nieder. In Gegensatz zur Unterwürfigkeit des vom Kunstbetrieb geschulten Kunstpublikums stellt sich Hofmeister in Klein St. Paul einem echten Kommunikationsprozess: Im Abseits traditioneller Kunsträume (im künstlerischen Niemandsland unter Kunstfremden) ist das Klima rauer, birgt künstlerische Arbeit für den Künstler mehr Widerstand und Erklärungsbedarf, für die Kunst umso mehr produktive Widerständigkeit und Bewegung.
Q NST ORT KLEIN ST. PAUL als Standort für ein lebenslanges Kunstprojekt setzt die Musealisierung als Machtfaktor im gegenwärtigen Kunstbetrieb außer Kraft und treibt sie ironisch auf die Spitze. Der Künstler erhofft sich keine Anerkennung vom Kunstbetrieb, er musealisiert sein Werk eigenhändig und zu Lebzeiten, indem er sich nicht nur zwei Museen im Ort einrichtet (Industriemuseum, Talmuseum), sondern den ganzen Ort zum Museum erklärt.
Q NST ORT KLEIN ST. PAUL aus kunsthistorischer Sicht schreibt sich in eine Entwicklungslinie ein, die von der Konzeptualisierung der sechziger Jahre zur Kontextualisierung in der zeitgenössischen Kunst führt. Mit den Concept Artists verbindet Hofmeister die künstlerische Konzentration auf Ideen/ Inhalten vor der eigentlichen Werkausführung. Der Anteil des Künstlers am Werk besteht in der Entwicklung eines Konzeptes und einer (verbalen, schriftlichen, zeichnerischen) Anleitung zur Herstellung des Kunstwerkes. Die materielle Ausführung des Werkes wird Partnern aus Industrie und Handwerk (kunstfremden Instanzen) überantwortet. Alle Entwicklungsphasen von der gedanklichen Formierung (einer Idee) bis hin zu Materialisierung (als Form) sind hierarchielos von gleicher Bedeutung. Die Industrielieferanten, Tischler, Metallgießer, Nudelfabrikanten, Köchinnen, mit denen Hofmeister zusammenarbeitet, sind am Entstehen des Werkes maßgeblich beteiligt, weil sie aufgrund ihrer Sach- und Materialkenntnisse letztlich formale (mitunter sogar inhaltliche) Mitentscheidungen treffen. Hofmeister ist bis zum Beginn der Produktionsphase prinzipiell für Veränderungen an seinen Konzepten offen – die Unabgeschlossenheit des Werkes ist letztlich die Voraussetzung für eine offene Rezeption, i.e. eine Weiterarbeit am Werk durch die Ortsbewohner/ -besucher (deren Blick mit der ursprünglichen Intention der Herstellung nicht unbedingt etwas zu tun haben muß). So bleibt trotz Verzicht auf eine künstlerische Handschrift, trotz Reduktion auf einheitliche und einfachste Formen, trotz industrieller und serieller Produktionstechniken die Gefahr einer sich verselbständigenden Materialästhetik gebannt. Diese Form der Zusammenarbeit birgt natürlich auch ein eminent kommunikatives Moment, baut Beziehungsbrücken von der Lebenswirklichkeit zur Kunst und umgekehrt. Kommunikationsfähigkeit hat hier allerdings nichts mit Nutzzwecken zu tun: Wenn Hofmeister seine Kunst zuletzt der Verwertbarkeit und Gebrauchsfähigkeit annäherte , z.B. mit seinen Q-Nudeln oder Q-Sesseln, ist immer eine gehörige Portion Skepsis oder Ironie im Spiel. Auf den abgeschrägten Stühlen sitzt man nicht wirklich gut („etwas läuft mit ihnen schief“), die Nudeln als QLTmahl dienen primär nicht dem leiblichen, sondern dem geistigen Wohl (auch wenn die Suppe beim Dorfwirt köstlich schmeckt, die Hofmeister uns eingebrockt hat!). In solchen Schräglagen gerät der schiere Nutzzweck ins Kippen, beharrt die Kunst auf ihren „Eigensinn“. Hofmeister zwingt uns zur Überprüfung konventioneller Sitz- und Essgewohnheiten (bzw. Seh- und Denkweisen): bequem und luxuriös sind weder Stühle und Suppe noch die Kunst – wir sollen nicht sitzen bleiben und weiteressen, sondern Hofmeisters Quelle nachlaufen…
Q NST ORT KLEIN ST. PAUL ist ein Gesamtkunstwerk, das bisherige Strategien und Fragestellungen Hofmeisters bündelt und weiterführt. Hofmeister stellt sein gesamtes Werk von den frühen bis hin zu aktuellen Arbeiten als Fundus zur Verfügung. Der Anfangsbuchstabe Q ist die inhaltliche Klammer, welche das NSTWERK und den NSTORT zusammenhält. Dieses Q resultiert aus der Beschäftigung mit dem Versandhauskatalog des Quellekaufhauses und wurde mittlerweile zu Hofmeisters Markenzeichen (so wie Q NSTORT zum Markenzeichen von Klein St. Paul werden könnte, wenn die Ortsbewohner mitspielen). Schrift nimmt innerhalb des Werkes von Hofmeister den größten und zunehmend zentralen Platz ein. Hofmeisters Fragestellungen umkreisen die Differenz von Begriff und Gegenstand, die Beziehung von Sprache und Wirklichkeit, die Interaktion von Sprache und Kunst. Für den Q NSTORT werden Satzzeichen, Buchstaben, Wörter, Sätze und Texte aus unterschiedlichen Bezugsfeldern entnommen und in die spezifische räumliche Situation und Geschichte des Ortes transferiert. Mit dem Wechsel des Kontextes wird die traditionelle Sprachstruktur aufgebrochen und der Sinn verschoben. Hofmeister speist mit seinen Quellen (aus Wörterbüchern, Lexika, religiösen und literarischen Texten) den Ort, und die örtliche Quelle labt wiederum Hofmeisters Text. Marktplatz, Kirche, Stelen, die wie Verkehrszeichen Bewohner und Besucher leiten, erhalten aus dieser Dialektik von Ort und Text ihren (mehrdeutigen) Sinn: So verwandelt das ST einen Park in einen heiligen Ort (ST = sanctus), der durch die Rastlosigkeit der Passanten wieder entweiht werden kann (ST = sine tempore).
Mit dem vor einem Stall aufgestellten MU hat man vordergründig etwas Konkretes vor sich, doch mit den Kuhlauten als Q-Lauten ergeben sich abstraktere Lesarten, zumal MU im Japanischen „Nichts“ bedeutet. Das biblische WER ICH und AUCH DU sprechen den Rezipienten persönlich im Stil von Werbeslogans an, möchten ihn für die Anliegen der Kunst gewinnen, sind aber im Gegensatz zu Werbebotschaften nicht auf ein eindimensionales Verständnis aus. ER, ORT, SACER, ( ) sind Umschreibungen für das, was keine Sprache, auch nicht die der Kunst, angemessen auszudrücken vermag – der angestammte Platz jenes Unsagbaren sind Gotteshaus und Friedhof. Für seine Stelen verwendet Hofmeister eine spezielle Schriftgestaltung, indem er die Buchstaben in ein Feld ausgestreuter und ausgestanzter Stäbe einwebt. Durch die Stäbe bricht das Tageslicht, schafft fließende Grenzen zwischen Buchstaben und Stäben und erschwert die Buchstabierung.
In einer zweiten Serie arbeitet Hofmeister mit einer Luftschrift und gießt den Leerraum zwischen den Buchstaben in Beton : Das flüchtige PST liegt in der Luft und relativiert das betonierte Unwort (die Sprache der Lauten: Autoraser, Kunstverhinderer u.a.). In UA wird das scheinbar sichere System der Schriftsprache bildnerisch aufgebrochen, in WARUM entsteht durch die Verbindung von gedrehten und miteinander in der Vertikale verbundenen Buchstaben ein Wortgitter (Sprache als Stütze oder Käfig?). Unter den verschiedenen von Hofmeister entwickelten Alphabeten nimmt das Einbuchstaben-Alphabet des großen Q einen zentralen Platz ein: Am Marktplatz bezeichnet es die Quelle, welche die drei Brunnen speist , das ist die einfachste Erklärung. Der Wegweiser „Lauf zur Quelle“ (mit der stigmatisierten Freundschaftshand aus einer früheren Werkserie) gebietet komplexere Lesarten: wir können zum Brunnen gelangen, nicht aber zur Quelle, die sich einen unterirdischen Weg bahnt. Dieses Bild der unsichtbaren Quelle, die Hofmeister vorübergehend fasst und durch seinen formalen Eingriff punktuell sichtbar macht, demonstriert den Spielraum künstlerischer Artikulationsmöglichkeiten.
Im „GROSSEN Q“, zu besichtigen im Atelier des Künstlers, konfrontiert Hofmeister seine Q NST mit Quellen aus der Kunstgeschichte und den Massenmedien. Ein scheinbar simpler Buchstabe mündet in einen Fluss aus eigenen und fremden Zitaten (aus Texten, Bildern, Fotografien u.a.), aus Vergangenheit und Gegenwart (Alte Meister, Kunst der Moderne usw.), aus Räumen (Raum der Schrift, lokaler Standort usw.) und Bewegungen (z.B. Reaktionen der BesucherInnen). Der Besucher ist aufgefordert, wie der Quellensucher in diesen Fluss zu tauchen, schwimmen sollte er allerdings schon können: wer sich vor dem Bodenlosen fürchtet, würde in den Strudeln der Kunst untergehen…
QNST ORT KLEIN ST. PAUL vertraut auf die Macht des Sehens. Der Kirchenvater Isidor von Sevilla prägte den Begriff vom „Gewissen des Auges“ und bezog sich auf die sichtbare Darstellung seiner Glaubensüberzeugung. Hofmeister ist, wenn man das so sagen darf, gewissenhafter als Isidor. Das Projekt Q NST ORT KLEIN ST. PAUL ist nicht aus dem Bedürfnis entstanden, Hofmeisters Glauben an die Kunst zu verfestigen, in Norisches Eisen und Wietersdorfer Zement zu gießen, sondern möchte durch visuelle Erfahrungen Bewusstsein und Gewissen der Ortsbewohner schärfen. Der Querstrich des Q steht für die Veränderung alter Sehweisen und für das Auflösen von stereotypen Bildern. Diese Erfahrung von Anstoß, Verschiebung und Widerstand hat im Q NST ORT KLEIN ST. PAUL künftig einen Anhaltspunkt.
Die ganze Welt wird zum Dorf und das Dorf zur Welt
Text von Irmgard Bohunovsky
Eine interessante Tätigkeit entfaltet Werner Hofmeister in einem kleinen Dorf im Kärntner Görtschitztal: Er arbeitet in dem Dorf und mit dessen Bewohnern auf der Höhe der Zeit und setzt genau am richtigen Punkt an: mit seiner Arbeit in dem Dorf in die Welt zu führen, das Dorf nicht abzuschließen, sondern zu öffnen bei Wahrung der eigenen Identität. Es fließen ästhetische Vorstellungen in dieses Tal und treffen dort auf eine Tradition, mit der sie – wenn man nur tief genug gräbt – durchaus „können“. Wenn nur der ganz Plunder abgefallen ist und man in gemeinsamer Arbeit, fern jedes Populismus, zu den Ursprüngen künstlerischer Aussage herangekommen ist.
Ausgangsmaterial seiner Objekte dieser Austellung ist die „Quelle“, ein Warenkatalog, der in Menge – also kopiert in dieses Dorf kommt. Das Layout des Katalogs wurde Vorlage für einen Werkblock, er fängt die Quelle ein und macht die Kopien zu einem Original. Hofmeister schafft mit seiner Arbeit vor Ort nicht nur Kunstwerke, Originale oder Multiples, er schafft auch eine neue Tradition. Es ist mehrfach nachgewiesen worden, daß die auf Neues ausgerichteten Modernen sich nur dann als überlebensfähig erwiesen haben, wenn sie nicht nur in der Tradition wurzelten (manche Wurzeln gehen tief und sind vielen gar nicht sichtbar), sondern wenn sie selber Tradition schufen.
Der Kunsthistoriker Thomas Zaunschirm nennt Hofmeister einen Konzeptvolkskünstler. er holt aus den autochthonen Wurzeln eine eigene Moderne. Provinziell wäre ja, in der Provinz wiederholen, was woanders entstanden ist. Das Anliegen der Galerie Carinthia ist es stets gewesen, dem defensiven Autonomiegedanken entgegenzuwirken, internationale Kunst zu zeigen. Die ganze Welt wird zum Dorf und das Dorf zur Welt. Werner Hofmeister macht es vor.
in UNIKAT